Surface Séance
Animationsfilm, 4´45´´, 2023
Animatied film, 4´45´´, 2023
Egal in welcher Umgebung wir Menschen auftauchen, wir hinterlassen dort Spuren. Ob wir es wollen oder nicht, unsere Anwesenheit schreibt sich unweigerlich in die Räume ein, die wir betreten. Für die Arbeit „Surface Séance“, habe ich Spuren menschlicher Körper auf den unterschiedlichsten Oberflächen und damit Schmierflecken aller Art zum Thema und zum Material eines Animationsfilms gemacht. Diese Filmtechnik ermöglicht die Illusion, dass die einzelnen, von unzähligen, verschiedenen Personen verursachten Verunreinigungen, zu einem einzigen Körper verwachsen.
Im Stadtgebiet Wiens, habe ich Flecken zuerst aufgesucht, einheitlich vor schwarzem Hintergrund fotografiert und dokumentiert. Im Schnitt wurden die Bilder dann in eine Reihenfolge gebracht, die einen dramaturgischen Zusammenhang zwischen den Abdrücken herstellt. In dem die Aufnahmen schnell hintereinander abgespielt werden, treten sie miteinander in Verbindung. Sie verschmelzen zu einem gemeinsamen Wesen, in dem sich das einzelne Individuum auflöst. Die Gesamtheit der fotografierten Formen wird im Film zeitlich komprimiert. Im Zeitraffer werden Zusammenhänge filmisch sichtbar, die in der alltäglichen Konfrontation mit den menschlichen Körperspuren verborgen bleiben. Was daraus hervorgeht, ist die dem Phänomen zugrunde liegende Essenz – eine Art kollektiver Geist. Dieser entwickelt sich entlang von beiläufig und unbewusst hinterlassenen Spuren hin zu bewusst gesetzten Zeichen und Botschaften.
Das Wesen das im Film entsteht, existiert im endlosen Kreislauf von Verschmutzung und Reinigung. Spätestens seit der Pandemie herrscht in unserer Gesellschaft eine gesteigerte und besorgte Aufmerksamkeit auf Oberflächen, mit denen Menschen direkt in Berührung gekommen sind. Aus Angst vor potentieller Infektionsgefahr, versucht man sie zu meiden. In der Arbeit sind es dann auch die Spuren eines Putzschwammes, die dem Spuk ein Ende setzen. Die gereinigte, schwarze Fläche die am Schluss zu sehen ist, ist gleichzeitig die Anfangssequenz. Das Treiben kann somit auf ewig aufs Neue beginnen.
English version below
Teaser "Surface Séance"
No matter in which environment we humans appear, we leave traces there. Whether we want it or not, our presence inevitably inscribes itself in the spaces we enter. For the work "Surface Séance", I made traces of human bodies on various surfaces the subject of an animated film. This film technique makes it possible to create the illusion that the individual smudges, caused by countless different people, grow together to form a single body.
In the urban area of Vienna, I first looked for smudges, photographed them uniformly against a black background and documented them. In the edit, the images were then put in an order that created a dramaturgical connection between the body prints. By playing the photographs quickly one after the other, they come into connection with each other. They merge into an entity in which the single individual dissolves. The totality of the photographed forms is compressed in time in the film. In fast motion, connections become cinematically visible that remain hidden in the everyday confrontation with human body traces. What emerges is the underlying essence of the phenomenon - a kind of collective spirit. This evolves along traces left casually and unconsciously to consciously set signs and messages.
The entity that emerges in the film exists in the endless cycle of pollution and purification. At the latest since the pandemic, there has been an increased and anxious attention in our society to surfaces with which people have come into direct contact. Out of fear of the potential danger of infection, people try to avoid them. In the work, it is the traces of a cleaning sponge that put an end to the spook. The cleaned, black surface that can be seen at the end is also the opening sequence. The goings-on can thus begin anew endlessly.
Surface Séance
von Stefan Grissemann
Die Wahrnehmung wird, mit freundlicher Unterstützung der Trägheit des Auges, in Surface Séance auf eine harte Probe gestellt. Für Sekundenbruchteile nur blitzt die äußere Welt immer wieder in die Dunkelheit dieser Arbeit: nächtliche Blicke durch U-Bahn-Fenster und Straßenbahntüren auf neonbeleuchtete Zonen, auf Alltagsschriften, Firmenlogos und Nahverkehrs-Piktogramme. Der öffentliche Raum in farbenfrohen Fragmenten. Blink and you’ll miss it.
Der Rahmen einer Fahrt mit den Wiener Linien wird hier zu einer besonderen Forschungsreise, denn der Filmemacher Michael Heindl nähert sich den Trivialitäten des Alltags mit konzeptueller Lust. Ein amorphes Wesen ist sein Protagonist, sein Bildzentrum; in schmutzigem Weiß taucht es aus dem brüchigen Schwarz auf, schiebt sich langsam nach vorn. Seine embryonal anmutende Form verändert sich unaufhörlich, es pulsiert wie ein mikroskopierter Einzeller, wächst sich zum grauen Springinsfeld aus: Es sind Körperspuren, Schmierflecken, gefunden an Glasscheiben und anderen Oberflächen, sie treten barsch gefettet oder filigran gestrichelt auf und reichen von amorphen Schlieren über Finger- und Handabdrücke bis hin zu Kussmündern, Smileys, Zahlen, Lettern und Symbolen. Der künstliche Sternenhimmel der Staubpartikel um sie herum gibt ihnen eine vage kosmische (und komische) Qualität.
Flora Rajakowitschs Sounddesign betont die heiteren Aspekte dieses grenzabstrakten Unterfangens: Es spielt mit dem Quietschen der Finger auf den Scheiben und Bildschirmen, es verfremdet und weckt die in der animierenden Montage geordneten Schmutzschemen zu cartoonhaftem Leben. Zuletzt bringt Heindl seine graue Einzelbildmalerei zur vollen Blüte – und die Möglichkeit eines Loops, einer Endlosschleife in sein Werk: Ein im Inneren einer leeren Nacht-U-Bahn vollzogener 360-Grad-Schwenk wird zum Echo einer Schweiß-, Wasser- und Fetterzählung, an deren Ende ein Neuanfang steht.
Film Stills "Surface Séance"